Wanderpaddeln, oder moderner formuliert, Touren paddeln, das ist doch etwas, das jeder kann! Oder doch nicht?
Wanderpaddeln, oder moderner formuliert, Touren paddeln, das ist doch etwas, das jeder kann! Oder doch nicht?
Von Gabriele Koch, Ressortleiterin Service
"Immer wieder begegnet man der Aussage, Wanderpaddeln ist nichts, was man besonders lernen muss. In den Vereinen hat man entweder Glück und man hat einen anderen Wanderpaddler, der einem das Paddeln beibringt, so gut er eben kann, oder aber man bekommt ein Boot und das Paddel in die Hand und soll einfach mitpaddeln – Ausbildung gleich null! Meine ersten Paddelerfahrungen gehören in die zweite Kategorie. Ich habe dann eine Übungsleiterausbildung gemacht, eher Wildwasserlastig, später beim DKV-Kanulehrer sah es genauso aus. Und das, obwohl es in Deutschland mehr klassische Wanderflusskilometer gibt als Wildwasser. Im Rahmen der Arbeit mit dem Europäischen Paddelpass habe ich mich mit der Ausbildung Seekajak und Wildwasser auseinandergesetzt." Gabriele Koch |
Das Ziel des EPP Deutschland ist nicht, dass jeder Kanute nun die Prüfungen zu den einzelnen Stufen ablegen sollte, sondern seine Bestimmung ist zuerst einmal, festzulegen, was gelernt werden kann und was die Vereine ausbilden sollten. Es gibt jedem Ausbilder/Trainer C und B ein Grundgerüst für seine Arbeit.
Der EPP Deutschland gibt einen Lehrplan mit Lernzielen für eine strukturierte Ausbildung jedem Ausbilder an die Hand. Seit 2018 gibt es in allen drei freizeitsportlichen Disziplinen neben Seekajak und Wildwasser auch für Touring, also für die Ausbildung der Flusswanderer diese Lehrpläne.
Die Ausbildungsstufen 1 und 2 sind für alle Disziplinen gleich, ab der Stufe 3 aber sind die Lernziele auf die Disziplin abgestimmt. Viele Lernziele in den Disziplinen sind gleich, aber auf Boot und Gewässer abgestimmt gibt es Unterschiede.
Der DKV hat schon vor vielen Jahren für einen Teil dieser Lernziele für Wanderpaddler, die am Wanderfahrerwettbewerb teilnehmen, Rahmenrichtlinien für die Vermittlung von Umweltschulungen und Sicherheitsschulungen erarbeitet. Diese Schulungen werden über die Kanu-Landesverbände oder Kanu-Bezirke jedes Jahr angeboten. Der Besuch der DKV-Ökoschulungen ist oft notwendig, damit wir Wanderpaddler nachweisen können, dass wir unseren Sportplatz, die Natur, kennen und uns dort auch zu bewegen wissen.
Die DKV-Sicherheitskurse sind eher disziplinspezifisch ausgerichtet, z.B. für Wildwasser oder für Seekajak. Für den Bereich Touring ist dieses Angebot bisher leider minimal! Um hier nachzubessern müssen sich die Wanderpaddler an die Kanu-Landesverbände wenden und dort Angebote zu diesem Thema einfordern. Oder man sucht in anderen Kanu-Landesverbänden nach diesen Angeboten gezielt in der DKV Termindatenbank.
Probleme gibt es bei der Säule Technik: zu diesem Themenbereich gibt es kaum workshops für Touringpaddler. Dabei ist das Thema sehr wichtig, damit das Wanderpaddeln – eine Langstreckensportart – auch nach viele Kilometern noch schmerzfrei Spaß macht! Eine gute Paddeltechnik setzt Kräfte frei und schont die Gesundheit. Handgelenke, Schultern, Rücken und Beine werden es uns danken, wenn wir ergonomisch verträgliche Paddeltechniken möglichst früh erlernen; aber zu spät ist es dazu niemals.
Grundsätzlich wird oder sollte die Paddeltechnik von Beginn an jeder Ausbildung, auch schon im Schnupperkurs vermittelt werden. Hier erwartet man eine einfache Ausführung der Technik. Diese Lernphase findet in der Regel in den Vereinen statt. Bei weiterem Lernen und Sammeln von Erfahrung sollte dann die Ausführung schon effizient sein. Das heißt mit wenig Aufwand viel Wirkung erzielen. Und damit ist dann die Lernerfolgsstufe 3 erreicht. Um das zu erreichen, ist es leichter, mit guten Ratschlägen zur Technik, also durch Teilnahme an Workshops, ans Ziel zu kommen. Und findet man diese nicht in der Termindatenbank des DKV – dann sollte man solche workshops einfordern, im Verein, oder auch auf Landesebene. Das ist die Aufgabe für unsere DKV Trainer C und Trainer B.
Und mehr geht immer! Dazu allerdings braucht es viel Erfahrung, also auch viele Fahrten auf unterschiedlichen Gewässern, in der Regel zunächst mit anderen Wanderpaddlern, die uns mitnehmen und uns zeigen, wie sie die Fahrten geplant haben, welche Karten und Flussführer, auch welche APPs man als Hilfsmittel nutzen kann. So erlernt man mit der Zeit eine effiziente Fahrtenplanung mit Plan B und auch mit touristischen Angeboten entlang des Wassers. Wanderpaddeln heißt schließlich nicht nur die Kilometer abschrubben, sondern die Landschaft rechts und links des Ufers auch zu entdecken.
Leider gibt es zu diesem Thema noch selten Workshops, diese würden aber jedem angehenden Wanderpaddler die Geheimnisse der Tourenplanung schneller vermitteln und ihn eher emanzipieren, eigene Fahrten zu planen.
Und noch eine Fähigkeit kann man erlernen, damit gut geplante Gruppenfahrten nicht aus dem Ruder laufen – durch ganz individuelle Befindlichkeiten. Das Thema Gruppendynamik – Sozialverhalten - wird bisher überhaupt nicht im Ausbildungsbereich Freizeitsport thematisiert. Und doch, wenn man es anspricht, hat fast jeder damit schon Erfahrungen gemacht. In der Regel paddeln wir in Gruppen, wir haben nur ein gemeinsames Ziel, von A nach B gemeinsam zu paddeln. Eine Gruppe ist aber kein Team und so finden manchmal hinderliche Gruppenprozesse statt, denen wir meist hilflos ausgeliefert sind. Wenn es hier Information zu gruppendynamischen Prozessen gäbe und Handlungsstrategien für die Fahrtenteilnehmer, das wäre für manche Gemeinschaftsfahrt ein Segen.
Wenn ich auch diesen Bereich, die Fertigkeiten der Fahrtenplanung und Grundkenntnisse in der Gruppendynamik beherrsche, und meine Paddeltechnik ausgereift ist, habe ich die Qualität eines Wanderpaddlers, der Gruppen auch führen kann, der andere, nachwachsende Wanderpaddler-Generationen anleiten kann. Das ist die Qualität der Stufe 4 Touring des EPP Deutschland.
In den letzten Jahren ist die Wahrnehmung des EPP Deutschland als Kanu-Sportabzeichen deutlich gestiegen. Gerade die europaweite Vergleichbarkeit von Paddelkenntnissen macht es interessant. Und so haben die SUP-Paddler im DKV sich auch das Kanu-Sportabzeichen in der Variante SUP gewünscht. Da die Lernziele aufgrund des Sportgerätes nicht ganz in das vorhandene Raster der Stufen Basis, 1 und 2 passen, wurde bei der epp coregroup ein Antrag auf einen eigenen Standard für SUP gestellt. Im Oktober 2018 haben dann in Basel Vertreter aus mehreren Mitgliedverbänden und unter Mitwirkung von Ludger Nückel aus Kempten/Allgäu als Fachmann für die Position des DKV die Minimalstandards für die Stufen 1 und 2 eines eigenen SUP Sportabzeichens entwickelt. In den dann folgenden Wochen hat Ludger in Rücksprache mit weiteren Ausbildern aus dem Bereich SUP die Version EPP Deutschland SUP Stufen Basis, 1 und 2 erarbeitet.
Ab sofort dürfen Trainer-C Breitensport, Sportart Kanu-Freizeitsport (früher Fachübungsleiter C) mit der Zusatzqualifikation DKV-SUP Instruktor-Basis dieses neue Kanu-Sportabzeichen in allein drei Stufen vergeben; SUP-Instruktoren Basis (ohne Trainer-C-Lizenz) dürfen den EPP SUP in der Basis-Stufe verleihen.
Die Weiterentwicklung für die Stufen 3 und 4 wird in drei Sparten erfolgen: Wildwasser, Touring und Surf. Dazu braucht es aber zuerst wieder die gemeinsame Entwicklung der EPP-Standards durch die epp coregroup und ihrer fachlichen Zuarbeiter.
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