Die neue Paddelsaison steht vor der Tür. Nur noch wenige Wochen, bis viele Vereine zum Anpaddeln aufrufen. Schlechtes Wetter und niedrige Temperaturen im Winter sind für viele Freizeitpaddler Grund genug, das Boot in der kalten Jahreszeit lieber im Bootshaus stehen zu lassen. So wird die kommende Tour für viele Kanufahrer die erste im neuen Jahr sein. Eventuell gibt es auch die ein oder anderen Pfunde, die seit Weihnachten hartnäckig bleiben. Gründe genug, um sich jetzt schon vom Winterschlaf zu verabschieden und moderat auf die neue Saison vorzubereiten. Ein ausgewogener Trainingsplan bringt den Körper in Schwung, entwickelt Stärken, baut Defizite ab und lässt Sie mit einer guten Fitness entspannt in die Paddelsaison starten.
Von Dennis Drieschner und Sabine Stümges
Viele Kanuvereine bieten in den Wintermonaten Training an, mit denen sich Paddler auf die Paddelsaison vorbereiten können. Dennis Drieschner, Diplom-Sportwissenschaftler, hat für den KANU-SPORT einen unkomplizierten Trainingsplan speziell für Freizeitpaddler zusammengestellt. Eine Kombination aus Ausdauer, gezielten Kräftigungsübungen und Dehnungen stärkt die allgemeine Kondition, beugt Fehlhaltungen im Kanu vor und verhindert Verletzungen der Muskeln und der Gelenke durch eine Überbeanspruchung. Trotzdem sollte der Gesundheitscheck beim Arzt vor jeder neuen Paddelsaison obligatorisch sein.
1. Ausdauer
Wer in der kommenden Saison auch längere Strecken entspannt paddeln und am nächsten Tag dennoch fit sein möchte, braucht neben einer guten Paddeltechnik auch die entsprechende Ausdauer, sowie Reserven als aktive Sicherheit im Notfall. Allgemein stärkt Paddeln als Ausdauertraining das Herz-Kreislauf-System und sorgt für eine langanhaltende Leistungsbereitschaft unseres Körpers über einen längeren Zeitraum. Grundsätzlich gilt: „Das beste Training für´s Paddeln ist Paddeln!“
Wer im Winter das Paddel beiseitegelegt hat, fängt mit kleinen Touren in mäßiger Geschwindigkeit an. Ausdauer wird langsam aufgebaut. Moderne Trainingskonzepte wie HIT versprechen den schnellen Erfolg, sollten aber aufgrund der hohen Belastung für das Herz-Kreislaufsystem nur von bereits gut Ausdauertrainierten durchgeführt werden. Diejenigen, denen es zum Paddeln noch zu kalt ist und die im Winter einen sportlichen Winterschlaf eingelegt haben, sollten die neue Saison mit moderatem Training beginnen. Niemand startet mit einem zehn Kilometer langen Dauerlauf. Mit moderatem Ausdauertraining können bereits innerhalb weniger Wochen merkbare Erfolge erzielt werden, denn vor allem die Muskeln passen sich schnell neuen Herausforderungen an.
Der individuelle Trainingsplan richtet sich nach der eigenen Fitness und Ausdauer. Planen Sie zwei bis drei Trainingseinheiten die Woche ein mit einer (als Anfänger) moderaten Herzfrequenz.
Faustformel optimale Herzfrequenz für Ausdauer (220 - Lebensalter) x 0,75
Die Regenerationszeit zwischen den Einheiten brauchen Knochen, Knorpel, Bänder und Sehnen zum Erholen und der gesamte Körper für den Aufbau der Kondition.
Ganz wichtig! Niemals „kalt“ in das Training starten.
Sorgfältiges Aufwärmen gehört vor jede Trainingseinheit. Hier sind dynamische Übungen wie Armekreisen, Armeschwingen, Rumpfrotation ideal um Schultergelenk und Wirbelsäule zu mobilisieren und auf die Paddeleinheit vorzubereiten. Wer den Kreislauf schon einmal so richtig auf Hochtouren bringen möchte, da gleich zu Beginn der Tour ein knackiges Wildwasserstück oder schnelle Strömung aufgrund eines derzeit häufig anzutreffenden hohen Wasserstandes vollen Einsatz verlangt, kann dies zum Beispiel mit dem guten alten Hampelmann oder Hock-Streck-Sprüngen (denglisch „Burpees“) machen.
2. Kräftigung
Wer nicht gegen die Uhr, sondern mit der Zeit paddelt, der braucht keine schweren Gewichte stemmen. Bauch, Rücken, Schultermuskulatur sollten aber gestärkt werden, um sportartspezifischen Dysbalancen vorzubeugen. Mit Ausnahme des SUPpen (und ausgewählter Canadierspielarten) ist das Paddeln eine sitzende Fortbewegungsform. Die meisten Menschen sitzen in ihrem Alltag ohnehin schon zu viel. Bauchmuskelschwäche, Beckenfehlstellungen, Hohlkreuz; die Folgen werden als moderne Volkskrankheiten bezeichnet. Gerade deshalb muss der Paddler seine Halte- und Stützmuskulatur auch außerhalb des Bootes trainieren.
Die „Achillesferse“ des Paddlers ist die Schulter. Aufgrund des anatomischen Aufbaus hat der Mensch im Schultergelenk (genauer das Glenohumeralgelenk) die größte Beweglichkeit. Diese Mobilität ist nur aufgrund kaum knöcherner Führung möglich. Der Haken; ohne ausreichende Sicherung des Gelenks durch Kapsel (Bänder), Sehnen und Muskeln ist das Schultergelenk sehr anfällig für Verletzungen und Überlastungen. Dieser Gefährdung des Schultergelenks kann durch gezieltes Krafttraining vorgebeugt, bereits vorhandene Fehlhaltungen können abgebaut werden.
Ein Fitnessstudio ist für die folgenden Übungen nicht nötig. Der Gymnastikraum im Bootshaus ist über die Wintermonate ideal für das Training, um Haltungsschwächen und Verletzungen vorzubeugen. Aber auch Paddler ohne eigene Trainingsräumlichkeiten im Verein müssen auf die Gesundheit nicht verzichten. Sie können einfach die Kräftigungsübungen mit einer Parkbank, ein paar Stufen sowie zwei Flaschen Wasser im „OutdoorFitnesstudio“ vor der Haustür machen.
Die Übungen sollten konzentriert jeweils zehn Mal (bei einseitigen Übungen jeweils zehn Wiederholungen pro Seite) durchgeführt werden. Halteübungen sollten nach Möglichkeit 30 Sekunden gehalten werden. Drei bis vier Durchgänge an zwei bis drei Tagen der Woche führen zum besten Trainingserfolg.
Hüfte und Rücken
1. Körperheben in Bauchlage
Vorbereitung: In Bauchlage die Arme über dem Kopf ausstrecken. Beine gerade halten. Durchführung Oberkörper, Arme und Beine gleichzeitig anheben. Absenken und wiederholen.
Durchführung: Oberkörper, Arme und Beine gleichzeitig anheben. Absenken und wiederholen.
2. Tiefe Kniebeuge
Vorbereitung: Füße entwa schulterbreit entfernt aufstellen, Füße leicht nach außen drehen und Knie in Richtung Fußspitzen zeigen lassen.
Durchführung: Nun wird das Gesäß nach hinten unten bewegt, der Oberkörper geht nach vorne, um das Gleichgewicht zu halten. Zur Unterstützung kann die Ferse erhöht werden.
Rotorenmanschette
3. Außenrotation der Schulter im Liegen
Vorbereitung: Seitliche Liegeposition auf dem Boden. Anschließend den aktiven Arm mit einer 90 Grad Beugung im Ellenbogengelenk auf der Hüfte platzieren und das Gewicht mit nach vorne zeigenden Daumen greifen.
Durchführung: Den Oberarm im Schultergelenk nach außen rotieren, sodass die Hand mitsamt dem Gewicht nach oben bewegt wird. Hier ist entscheidend, dass der Ellenbogen die Hüfte zu jedem Zeitpunkt berührt. Für eine Intensivierung der Übung in den Seitstütz gehen.
Schultern
4. Seitheben
Wer Schwierigkeiten hat, sein Paddel auf langen Touren auf Schulterhöhe zu führen, um einen effektiven Vorwärtsschlag zu paddeln, der sollte seinen Deltamuskel trainieren.
Vorbereitung: Zwei Wasserflaschen greifen und aufrecht hinstellen. Arme leicht gebeugt seitlich am Körper halten. Handflächen zeigen nach innen.
Durchführung: Arme seitlich anheben bis sich die Oberarme parallel zum Boden befinden. Ellenbogen leicht gebeugt drei Sekunden halten. Zurückführen und wiederholen.
5. Frontheben
Vorbereitung: Zwei Wasserflasche greifen und aufrecht hinstellen. Arme leicht gebeugt halten und Wasserflaschen vor den Oberschenkeln halten. Daumen zeigen nach oben.
Durchführung: Arme nach vorn anheben, bis sie sich parallel zum Boden bzw. etwas darüber befinden. Drei Sekunden halten, zurückführen und wiederholen.
Bauch
6. Unterarmstütz
Vorbereitung: In Bauchlage Ellenbogen unter den Schultern positionieren. Unterarme zeigen nach vorn. Beine strecken und Zehen auf Boden abstellen.
Durchführung: Hüfte anheben bis der Körper in der waagerechten ist. Auf einen geraden Rücken achten, Beine gestreckt halten. Position 30 Sekunden halten.
7. Sit-Ups
Vorbereitung: Um die ohnehin zur Verkürzung neigenden tiefen Hüftbeuger auszuschalten, beuge die Hüfte in Rückenlage um 90°, so dass die Knie nach oben zeigen. Füße etwas anspannen. Oberkörper leicht nach oben rollen.
Durchführung: Bauch anspannen und Oberkörper so weit wie möglich nach oben rollen. Unterer Rücken verbleibt auf Matte. Zurückführen und wiederholen. Achtung! Auf keinen Fall mit den Händen am Kopf ziehen!
.
3. Beweglichkeit
Durch ständig sitzende Haltung verkürzen die tiefen Hüftbeuger, die Kniebeuger und die Brustmuskulatur. Die Folgen sind Fehlhaltungen, Rückenschmerzen und ein eingeschränkter Bewegungsspielraum.
Diese Muskelgruppen sollen durch Dehnübungen verlängert werden. Das gleicht eine unregelmäßige Belastung auf den passiven Bewegungsapparat (Knochen, Knorpel, Bänder) aus. Besonders, wenn Sie auch irgendwo „verkürzt“ sind oder Sie das Gefühl haben, dass Ihre Beweglichkeit zu wünschen übrig lässt, sind die folgenden Übungen besonders sorgfältig auszuführen und im Anschluss an jede Trainingseinheit einzufügen. So haben Sie mit nur zwei bis drei Trainingseinheiten in der Woche ein effektives Ganzkörpertraining absolviert, das die Ausdauer stärkt, die Kraft steigert und die Muskeln dehnt.
Alle Übungen werden statisch ausgeführt. Für andere Möglichkeiten des Beweglichkeitstrainings wie zum Beispiel die Anspannungs-Entspannungs-Methode oder Übungen mit der Faszienrolle wenden Sie sie sich bitte an einen ausgebildeten Trainer oder Übungsleiter. Jede Übung sollte 30 Sekunden gehalten werden, dann mit tiefem ausatmen die Dehnung erweitert werden und noch einmal weitere 30 Sekunden gehalten werden.
1. Ausfallschritt gestrecktes Bein
Vorbereitung: In leichter Schrittstellung stehen, das Gewicht lagert auf dem vorderen Bein. Beide Füße verbleiben komplett am Boden und zeigen parallel nach vorne. Hinteres Bein durchstrecken.
Durchführung: Nun das Gewicht langsam auf das hintere Bein verlagern, so dass Spannung in der hinteren Wade aufgebaut wird. Dehnung halten. Mit anderem Bein fortfahren.
|
2. Schneidersitz, vornübergebeugt
Vorbereitung: Sitzende Position im Schneidersitz. Strecken Sie den Oberkörper und ziehen Sie die Hände in die Höhe.
Halten Sie diese Position für 20 Sekunden.
Durchführung: Körper nach vorn schieben. Schulterblätter auseinander. Dehnung halten.
|
3. Stehende Vorwärtsbeuge
Vorbereitung: Aufrecht stehen, Knie leicht gebeugt halten. Oberkörper so weit wie möglich nach vorn beugen.
Durchführung: Oberkörper locker nach unten hängen lassen, der Kopf sollte zwischen den Armen befinden. Dehnung halten und dabei tief Ausatmen um die Muskelentspannung zu unterstützen.
|
4. Dehnung Rumpf
Vorbereitung: Aufrecht setzen und ein Bein nach von strecken. Fuß des anderen Beines gegen die Aussenseite des gestreckten Beines stellen. Oberkörper in Richtung des gebeugten Beines drehen und Hand der gleichen Seite hinter dem Körper ablegen. Ellenbogen des freien Armes gegen die Aussenseite des gebeugten Knies legen.
Durchführung: Ellenbogen benutzen um die Verwringung über das gebeugtes Knie zu unterstützen. Dehnung halten. Der Blick richtet sich auf die abgestützte Hand.Mit anderer Seite fortfahren.
|
5. Dehnung Rumpf, liegend
Vorbereitung: In Rückenlage Arme seitlich ausstrecken. Beliebiges Bein anheben. Hüfte Knie und Sprunggelenk bilden jeweils einen rechten Winkel.
Durchführung: Gebeugtes Bein zur anderen Seite auf den Boden absenken. Rücken und Schultern verbleiben auf dem Boden. Dehnung halten.
|
5a. Dehnung Rumpf, stehend (Variante)
Vorbereitung: Ein Bein vor den Körper zu gegenüberliegenden Seite abstellen. Die Hände hinter dem Kopf verschränken.
Durchführung: Oberkörper zur Seite des vorderen Beines eindrehen.
|
6. Dehnung tiefer Hüftbeuger
Vorbereitung: Knien und ein Bein nach vorn stellen. Es sollte etwa 90° gebeugt sein. Hände auf vorderem Oberschenkel ablegen.
Durchführung: Körper nach vorn schieben und dabei den Oberkörper aufrecht halten. Der tiefe Hüftbeuger sollte nun auf Spannung sein. Dehnung halten.
|
7. Seitenstrecken
Vorbereitung: Im etwa hüftbreiten Stand werden die Arme über den Kopf gestreckt.
Durchführung: Ein Bein wird vor dem anderen zur Gegenseite geführt, der gleichseitige Arm wird über dem Kopf ebenfalls zur Gegenseite geführt. Der andere Arm zieht an der Körperseite entlang nach unten.
|
8. Dehnen Brust stehend
Vorbereitung: Aufrecht stehen, Arme seitlich ausstecken, Ellenbogen etwa auf Schulterhöhe, Handflächen zeigen nach vorne und Daumen nach oben
Durchführung: Schulterblätter zusammenbringen und Arme so weit wie möglich hinter den Körper führen. Dehnung halten.
|
9. Deltamuskel ziehen
Vorbereitung: Beliebigen Arm über der Brust zu anderen Seite strecken. Hand des anderen Armes greift Ellenbogen von unten.
Durchführung: Arm zum Körper ziehen. Dehnung halten.
|
10. Aduktorendehnung
Vorbereitung: Arm nach oben über den Kopf strecken. Ellenbogen so weit wie möglich beugen und Unterarm hinter den Kopf führen. Mit der anderen Hand den Ellenbogen greifen
Durchführung: Ellenbogen hinter den Kopf ziehen.
|
Beispielplan Winter:
(Gemeint sind jeweils die metereologischen Jahrzeiten (Dezember bis Februar bzw. März bis Mai), um die erwarteten Witterungsverhältnisse bei der Trainingsplanung berücksichtigen zu können.)
Montag |
|
Dienstag |
10 min Aufwärmen
30 min Krafttraining
30 min allg. Ausdauertraining
15 min Beweglichkeitstraining |
Mittwoch |
|
Donnerstag |
10 min Aufwärmen
45 min Krafttraining
20 min Spiel oder Lauf
10 min Beweglichkeitstraining |
Freitag |
|
Samstag/Sonntag |
Paddeln |
Beispielplan Frühjahr:
Montag |
|
Dienstag |
5 min intensives Aufwärmen
20 min Krafttraining
10 min Beweglichkeitstraining
60 min Paddeln |
Mittwoch |
|
Donnerstag |
5 min intensives Aufwärmen
20 min Krafttraining
10 min Beweglichkeitstraining
60 min Paddeln |
Freitag |
|
Samstag/Sonntag |
Paddeln
|
Sommertraining
Das Sommertraining wird individuell nach den persönlichen Zielsetzungen, Gewässertypen und der eigenen Kanusportart (Wildwasser, Touren, etc,) ausgestaltet.
Trainingsplanung: Dennis Drieschner